Finnland wagt einen einzigartigen Versuch: Das Land will herausfinden, ob ein bedingungsloses Grundeinkommen das Sozialsystem revolutionieren und vereinfachen kann. Dies geschieht durch die Auswahl von 2.000 zufällig ausgewählten Arbeitslosen, die ab Januar 2017 kein Arbeitslosengeld mehr erhalten sollen. Stattdessen bekommen sie jeden Monat einen Betrag in Höhe von 560 Euro, ohne dass diese Zahlung an irgendwelche Bedingungen geknüpft ist.
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Grundeinkommen in Finnland: Was sind die Hintergründe?
Hintergrund für den Versuch eines Grundeinkommens in Finnland ist ein gewisser Druck, unter dem die liberal-konservative Regierung des Landes steht. Finnland hat die Wirtschaftskrise nicht vollständig überwunden und erholt sich nur langsam von einer drei Jahre anhaltenden Rezession. Die Arbeitslosenquote liegt bei etwa neun Prozent und für 2017 ist ein Wirtschaftswachstum von etwa einem Prozent vorhergesagt. Zudem befindet sich der Arbeitsmarkt in einem radikalen Umbau.
Politiker nennen den Versuch „kreativ in Bezug auf soziale Neuerungen“ und suchen einen Weg, große Einkommensunterschiede innerhalb der Bevölkerung zu vermeiden. Daneben soll das Experiment dazu beitragen, ein einfacheres System sozialer Sicherheit zu gewährleisten. Betroffene sollen ermuntert werden, zu arbeiten oder selbst Unternehmen zu gründen.
Wer erhält das bedingungslose Grundeinkommen?
Das bedingungslose Grundeinkommen soll jeder Bürger erhalten, egal wie sich dessen Lebenssituation darstellt oder ob überhaupt eine Bedürftigkeit besteht. Das Einkommen ersetzt Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld und soll über Steuern finanziert werden. So soll jeder Mensch genügend Geld für seine Grundbedürfnisse erhalten.
Befürworter des Projekts erwarten, dass der Staat insgesamt sogar Geld einspart, weil viele Bezieher des Grundeinkommens arbeiten, um einen höheren Lebensstandard zu finanzieren. Ebenso würden Motivationshemmnisse beseitigt. Derjenige, der einen Minijob annimmt, behält das Grundeinkommen auf jeden Fall und muss es nicht versteuern.
Allerdings geht man davon aus, dass ein volles Grundeinkommen, das alle staatlichen Leistungen ersetzt, in Finnland bei 1.500 Euro pro Monat liegen müsste. Folglich dürfte es auch mit 560 Euro im Monat nicht möglich sein, ein angenehmes Leben zu führen.
Die Summe erhalten nur Arbeitslose, die ohnehin auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Durch das Experiment will man herausfinden, ob Arbeiten interessanter ist, als Nichtstun. Man erwartet sogar, dass sich die Produktivität erhöht, was die finnische Wirtschaft vorantreiben könnte.
Skeptiker befürchten, dass die Summe einfach genommen wird, um anschließend Zuarbeit möglichst zu vermeiden. Die Kosten wären dann höher als beim bisherigen Sozialsystem.
Was ist die „Idee“ des Grundeinkommens“?
Der bürgerliche finnische Ministerpräsident und frühere Unternehmer Juha Sipilä hat die Wahlen 2015 gewonnen. Er versprach, Finnland wie ein Unternehmen zu führen und aus der Wirtschaftskrise herauszuholen. Das Experiment beruht auf der Basis der Freiwilligkeit und Verantwortung jedes Einzelnen.
Hingegen sollen sich Staat und Arbeitsverwaltung zurückhalten, da die Empfänger des Grundeinkommens keinen Weg zu einem Amt mehr zurücklegen müssen.
Gibt es einen Motivationsschub?
Die Projektleiter hoffen, dass sich bisher arbeitslose Menschen durch das Grundeinkommen zum Arbeiten motivieren lassen. Empfänger von Sozialleistungen nähmen bisher keine Beschäftigung an, weil sie nach Abzug aller Steuern möglicherweise dann schlechter dastehen.
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Ein Grundeinkommen hingegen muss man nicht versteueren. Arbeitslose müssen ständig neue Formulare ausfüllen und immer wieder neue Anträge stellen, was bei einem Grundeinkommen nicht mehr notwendig sein dürfte. Daneben gibt es Menschen finanzielle Sicherheit, die sich darauf verlassen können, dass man ihnen das Geld pünktlich auszahlt.
Weitere Projekte zu Grundeinkommen weltweit
Die Diskussion um ein Grundeinkommen befindet sich schon seit Jahren im Fokus der Öffentlichkeit – weltweit. In den Niederlanden hat man bereits über eine Einführung diskutiert. Die kanadische Provinz Ontario plant ebenfalls ein Pilotprojekt.
Auch in der Schweiz war eine entsprechende Initiative geplant, die am 5. Juni 2016 in eine Volksabstimmung über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens mündete. Die Eidgenossen diskutierten sogar über eine Summe von umgerechnet etwa 2.250 Euro pro Monat. Allerdings fehlten wichtige Informationen.
Innerhalb der Schweizer Bevölkerung existierte eine große Unsicherheit, sodass bei der Abstimmung nur etwa 20 Prozent mit Ja stimmten. Dennoch wird ein Grundeinkommen jetzt in verschiedenen Städten, Dörfern und Kantonen getestet. Lausanne beginnt im April 2017 mit einem Pilotprojekt, das die Folgen der Zahlung eines bedingungslosen Einkommens an Sozialhilfeempfänger erforschen soll.
Auch in Deutschland diskutiert man schon seit Jahren über ein bedingungsloses Grundeinkommen. Vor dem Hintergrund einer sich ständig verändernden Arbeitswelt sei es fahrlässig, neue sozialpolitische Ideen von vornherein abzulehnen. Einigkeit besteht zudem darüber, dass es zukünftig immer weniger „klassische Arbeitnehmer“ geben wird. Die fortschreitende Digitalisierung der Arbeitswelt führe dazu, dass in vielen Bereichen Arbeitsplätze wegfallen.
Grundeinkommen: Projektteilnahme verpflichtend
In Finnland erfuhren die in Frage kommenden Personen kurz vor Silvester, dass sie an diesem Experiment teilnehmen. Frauen und Männer wurden aus Personen zwischen 25 und 58 Jahren ausgelost. Sie gehörten zu denen, die in Finnland im November 2016 Arbeitslosengeld erhielten. Die Betroffenen haben keine Möglichkeit, ihre Teilnahme abzulehnen.
Die finnischen Regierungsparteien hatten den Versuch eines bedingungslosen Grundeinkommens 2015 im Koalitionsvertrag festgelegt. Er ist zunächst auf zwei Jahre befristet, man will das Projekt aber nach einem Jahr noch auf weitere Personen ausweiten.
Wie geht das Experiment weiter?
Aus Helsinki hieß es, das Experiment diene dazu, wissenschaftliche Erkenntnisse über die Auswirkungen eines Grundgehaltes festzustellen. Sollte der Versuch positive Auswirkungen haben, zieht man in Finnland die Ausweitung dieser Leistung in Erwägung.
Hinzu kommt, dass nach Meinungsumfragen immerhin 70 Prozent der finnischen Bevölkerung die Einführung eines Grundeinkommens befürwortet. Man wünschte sich zunächst einen Versuch mit 10.000 Teilnehmern. Geplant war ebenfalls, dass man das Grundeinkommen auch Bürgern gewährt, die nicht arbeitslos sind. Tatsächlich hat man das Experiment aber jetzt in einer „sparsameren“ Version umgesetzt.
Bisher ist die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen überwiegend von Annahmen geprägt. Wissenschaftliche Erkenntnisse über das Verhalten der Empfänger dieser Leistung liegen noch nicht vor.
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