Der BGH hat ein sehr interessantes Urteil gesprochen, das auch für Millionen von Bankkunden relevant ist. Es ging im Kern darum, ob Banken Kontoführungsgebühren erhöhen dürfen, wenn der Kunde nicht ausdrücklich widerspricht bzw. nur stillschweigend „zustimmt“. Jetzt liegt die Urteilsbegründung vor – und Kunden können sich die zu viel geforderten Gebühren zurückzuholen. Wir erklären, wie es funktioniert.

Banken verschieben Erhöhung von Kontoführungsgebühren

Eine Auswirkung des BGH-Urteils gab es bereits in den vergangenen Wochen: Kreditinstitute führten eine für die nahe Zukunft eigentlich geplante Erhöhung der Kontoführungsgebühren vorerst nicht durch. Banken haben auch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Neukunden geändert. Die von Verbaucherschützern kritisierte Klausel ist gestrichen.

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Im Wesentlichen haben die Bundesrichter nämlich geurteilt, dass ein Kunde nicht automatisch einer Gebührenerhöhung zustimmt, nur weil er nicht widerspricht. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv).

Änderungen der AGB treten meistens stillschweigend in Kraft

Hintergrund des Urteils ist, dass insbesondere im Finanzbereich Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) dann als vom Kunden akzeptiert gelten, wenn diese nicht ausdrücklich widersprechen. Konkret hat der BGH über eine Gebührenerhöhung seitens der Postbank verhandelt. Die entsprechenden Vorgaben dürften aber ebenfalls für alle anderen Banken gelten.

Geplante Gebührenerhöhungen: Wie reagieren die Banken?

Vorerst profitieren zahlreiche Bankkunden von dem BGH-Urteil. Denn mehrere Kreditinstitute haben bereits angekündigt, eine beispielsweise für Juli geplante Erhöhung der Kontoführungsgebühren auf Eis zu legen. Dazu zählen neben der Commerzbank unter anderem ebenfalls Comdirect und die Sparkasse Köln-Bonn.

Keine Produkte gefunden.

Es ist davon auszugehen, dass mehrere weitere Kreditinstitute geplante Gebührenerhöhungen zumindest vorübergehend aussetzen. Trotzdem gibt es im Bereich Girokonto einen für Kunden eher unerfreulichen Trend. Dieser besteht darin, dass am Markt immer weniger, tatsächlich rundum kostenfreie, Girokonten angeboten werden.

Anzahl der kostenfreien Girokonten sinkt weiter

Bis vor einigen Jahren gab es am Markt mindestens 30 Kreditinstitute, insbesondere aus dem Bereich der Online-Banken, die ein Girokonto – zumindest beim Erfüllen bestimmter Voraussetzungen – kostenfrei angeboten haben. Jetzt allerdings schwindet die Mehrzahl dieser Angebote.

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Immer mehr Kreditinstitute verlangen beim Girokonto auch Kontoführungsgebühren. In den meisten Fällen sind es jetzt nur noch Auszubildende, Schüler oder Studenten, die oft keine Kontoführungsgebühren bei den entsprechenden Angeboten zahlen müssen.

Vergleichsrechner Girokonto

Nullzinspolitik der EZB als ein Hauptgrund

In erster Linie machen Marktbeobachter dafür die Nullzinspolitik der EZB verantwortlich. Banken müssen aufgrund der deutlichen Einbußen bei den Zinseinnahmen an anderer Stelle Einnahmen generieren. Ein probates Mittel ist dann stets die Erhöhung oder Einführung von Kontoführungsgebühren.

Anders ausgedrückt: Die Einnahmen verlagern sich seit der Niedrigzinsphase im Bankenbereich immer mehr weg von Zinsen hin zu Gebühren und Provisionen. Manche Experten rechnen sogar damit, dass zukünftig fast alle Kreditinstitute inklusive der Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken Kontoführungsgebühren berechnen werden.

Ist die Erhöhung der Kontoführungsgebühren jetzt verboten?

Grundsätzlich verbietet der Bundesgerichtshof in seinem Urteil natürlich nicht, dass Kreditinstitute künftig ihre Gebühren im Bereich Girokonto erhöhen dürfen. Lediglich die bisher gängige Praxis ist nicht mehr rechtens.

Diese bestand bei den meisten Kreditinstituten darin, dass eine Gebührenerhöhung bzw. Änderung der AGB seitens des Kunden dann als angenommen gilt, wenn kein Widerspruch erfolgte. Dies wurde häufig auch als stillschweigende Zustimmung bezeichnet. Allerdings hat das Urteil weitreichende Auswirkungen auf vergangene Handlungen.

Was passiert mit früheren Gebührenerhöhungen?

Denn das Urteil (Aktenzeichen: XI-ZR-26-20) wirkt sich laut der schriftlichen Begründung auch auf bereits durchgeführte Gebührenerhöhungen aus. Entsprechend sind fast alle im Girokontobereich seit Anfang 2018 durchgeführten Kostenerhöhungen unwirksam. Das Datum 1. Januar 2018 steht deshalb im Mittelpunkt, weil für vorherige Gebührenerhöhungen die Verjährungsfrist greift.

Die Begründung lautet, dass der BGH nun eindeutig festgestellt habe, dass Gebührenerhöhungen nur mit einer „echten“ Zustimmung des Kunden zulässig sind. Diese habe es eine Vergangenheit allerdings aufgrund der sogenannten stillschweigende Zustimmung fast nie gegeben.

Wie bekommen Bankkunden ihr Geld zurück?

Die Konsequenz besteht darin, dass die Kreditinstitute alle Mehrgebühren, die seit 2018 in Rechnung gestellt wurden, zurückerstatten müssen. Laut Stiftung Warentest liegt die Höhe der Rückzahlungen in vielen Fällen im dreistelligen Bereich.

Verbraucherschützer gehen davon aus, dass Kunden von Banken und Sparkassen das rechtswidrig verlangte Geld automatisch erstatten. Ausgemachte Sache ist das aber nicht. Im Zweifelsfall müssen Kunden selbst nachschauen, wie hoch die Gebühren am 1. Januar 2018 waren und um wieviel mehr sie seitdem gezahlt haben.

Für Inhaber von Konten, die früher noch kostenlos waren, summieren sich die Beträge auf anständige Summen. Hinzu kommen Zinsen. So haben viele Postbank-Kunden, die bis Oktober 2016 ein damals noch kostenloses Giro Plus-Konto eröffnet haben, meist einen Anspruch auf Erstattung von ziemlich genau 180 Euro einschließlich Zinsen.(Stiftung Warentest)

Auf der Seite der Stiftung Warentest finden sich weitere Informationen zu dem Thema und Mustertexte.

Dem Finanzexperten Hermann-Josef Tenhagen (Finanztip) zufolge müssen Bankkunden für die Rückerstattung der zuviel bezahlten Gebühren aber aktiv werden. Die Banken, so Tenhagen, kämen nicht auf ihre Kunden zu, um ihnen eine Rückzahlung anzubieten. Die Finanzinstitute spekulieren offenbar darauf, dass nicht alle Kunden ihre Ansprüche geltend machen und bei den vergleichsweise geringen Summen auch keine rechtlichen Schritte erfolgen.

Nicht zuletzt, weil es doch eines kleinen Aufwandes bedarf, um sich das komplette, einem zustehende Geld zurückzuholen:

So holst du dir die Kontoführungsgebühren zurück

  • Finde heraus, wie viel dein Konto bei der Eröffnung gekostet hat (z. B. über die Wayback-Maschine im Preis- und Leistungsverzeichnis)
  • Finde heraus, wann deine Kontoführungsgebüren sowie Kosten für die Karte/n erhöht wurden (z. B. über dein Mail-Fach in deinem Bankkonto oder über die Google-Suche)
  • Berechne, wie hoch die Kosten nach einer Erhöhung im Zeitraum zwischen 1. Januar 2018 und Mai 2021 waren
  • Schlage Zinsen auf (Verzugszins)
  • Schreibe deiner Bank einen Brief, in dem du freundlich um eine Rückerstattung der zuviel bezahlten Gebühren bittest. Am besten setzt du eine Frist bis Ende Juni und schickst das Ganze als Einschreiben mit Rückschein ab

Weiterführende Informationen zum BGH-Urteil zu den Kontoführungsgebühren

Letzte Aktualisierung am 19.03.2024 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API

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veröffentlicht von Jörn

Jörn Brien ist Chefredakteur und Betreiber von Die Wirtschaftsnews – deinem Ratgeber für Aktien und Kryptowährungen. Der Journalist arbeitet(e) für verschiedene namhafte Publikationen in Deutschland und Österreich, darunter Golem, Kurier, t3n, e-media, Futurezone und pressetext. Darüber hinaus betreibt er den Online-Buchshop Meine Buchhandlung Wien und mehrere Facebook-Gruppen sowie Blogs.