In den vergangenen Jahren hat sich die Service- und Einkaufslandschaft in Deutschland stark verändert. War es früher noch üblich, für Kontoauszüge in persönlichen Kontakt mit der Bank zu treten und die Blumen im ortsansässigen Blumenladen zu erwerben, so werden heutzutage viele Erledigungen in einem Rutsch im Supermarkt erledigt.
Werfen wir mal ein Blick zurück in späten 80er- und frühen 90er-Jahre. Alle zwei Wochen schickten meine Eltern mich – den kleinen Bub – in die Bankfiliale, um dort die bereits ausgedruckt vorliegenden Kontoauszüge abzuholen. Die Bankfiliale wurde durch viele Kunden und Mitarbeiter mit Leben gefüllt. Der Botendienst wurde mir mit kleinen Kau-Bonbons (habe sie bei Google gefunden: Böhme Fruchtkaramellen) in verschiedenen Geschmackssorten versüßt.
Gleich neben der Bankfiliale war die ortsansässige Post unserer nicht einmal 5.000 Einwohner fassendenden Gemeinde. Betrat man die Räumlichkeiten, bot sich ein kleiner Ausflug in das aktuelle Philatelie-Angebot. Von Deutsche -Einheit-Sondermarken bis zum Musiklegenden-Viererblock mit Elvis Presley & Co. Auch hier war trotz der üppigen Öffnungszeiten immer viel los. Zwei fest angestellte Mitarbeiter*innen verbreiteten trotz hohem Arbeitsaufwand beste Laune.
Hatte man die Briefe nun abgegeben, stand man vor der Qual der Wahl: Bei welchem Metzger hole ich heute die Einkäufe? Und bei welcher Bäckerei die passende Beilage?
Einkaufslandschaft in Deutschland heute
Diese Entscheidung wird einem heutzutage abgenommen. Wieso? Schicken wir doch heute mal einen Zehnjährigen – wir nennen ihn Felix – auf „Einkaufstour“:
Felix ist glücklich. Er darf heute das erste Mal – ganz alleine – für seine Eltern auf Einkaufstour. Das Wetter ist schön, sein Fahrrad frisch aufgepumpt und er freut sich, die Erledigungen für seine Eltern übernehmen zu dürfen. Die Aufgabenliste:
- Auszüge holen
- Paket abholen
- Würstchen und Brötchen fürs Abendessen einkaufen
Seine erste Station ist die Bank. Es ist Dienstagnachmittag und Felix steht vor verschlossenen Türen. Da steht er nun, mit der EC-Karte in der Hand und weiß nicht weiter. Die Türen zum Automaten lassen sich nämlich nur mit Scheckkarte öffnen. Die Mitarbeiter sind vor zwei Jahren ausgezogen. Die Filiale hat dichtgemacht. Ein bisschen Technik ist übrig geblieben. Aber im Nachbarort gibts ja zum Glück noch eine. Man muss lediglich 5 Kilometer mit dem Bus hinfahren.
Kein Problem für alle rüstigen Rentner von heute. Die fühlen sich im städtischen Personennahverkehr sowieso ganz sicher. Und nach einer knappen Stunde kommt ja auch schon die Rückfahrgelegenheit. Außerdem kommt man so ja mal unter die Leute und muss sich dafür nicht extra zum Hausarzt quälen.
Ah, da kommt gerade eine nette Frau vorbei und erklärt Felix, wie er die elektronische Tür öffnen kann. Das mit dem Kontoauszugsdrucker haben ihm seine Eltern Gott sei Dank schon vorher erklärt. Karte rein, Auszüge raus. Das ist einfach.
Felix packt also die Auszüge in seinen Rucksack und fährt weiter – leider ohne Kaubonbons. Keine Mitarbeiter, keine Zinsen, keine Kaubonbons. Den Gewinn hat die Genossenschaft im letzten Geschäftsjahr gesteigert. War aber aufgrund von Basel 3 auch bitter notwendig, das Eigenkapital mal wieder etwas aufzufrischen.
So, damit die Wurst bei den sommerlichen Temperaturen nicht schlecht wird, möchte Felix als nächstes erst einmal das kleine Päckchen abholen. Gerade fährt er an der ehemaligen Postfiliale vorbei. Diese steht leer. Er liest das Schild „Zu vermieten“. Ganz vergilbt ist es schon. Die Post gibt’s nämlich schon lange nicht mehr.
Deutsche Post: 13.000 Filialen geschossen
Genauso wie die anderen 13.000 posteigenen Filialen von früher wurde diese geschlossen. Zuerst gab es eine Zwischenlösung. Ein privater Betreiber. Das hat aber nicht so gut funktioniert. Briefmarken konnte man dort zwar kaufen – aber nur die selbstklebenden. Nix zum sammeln.
Felix findet das schade. Aber es macht sowieso mehr Spaß, in der Sammlung von Opa zu blättern. Dieser hatte die Briefmarken immer liebevoll ausgeschnitten, im Wasser abgelöst und dann in sein Album gesteckt. Opa hat mal erzählt, dass er so stolz auf seine Sammlung war, dass er die Alben mindestens einmal die Woche durchgeblättert hat.
Zurück zu unserer Filiale. Nachdem der private Betreiber die Filiale ebenfalls schließen musste, kann man seine Päckchen nun direkt im Supermarkt abgeben. Oder abholen. So wie Felix. Eigentlich ist das doch praktisch. Da muss man den SUV nicht so oft anschmeißen, um alle Einkäufe zu erledigen. Alles in einem Rutsch. Das spart Zeit. Und Zeit ist Geld.
Nur die ehemaligen Filialmitarbeiter verdienen jetzt nix mehr. Lässt sich heutzutage alles mit ungelerntem Personal abwickeln. Und unsere Briefträger sehen auch alle vier Monate anders aus. Nur montags. Da fährt immer der gleiche rum. Der wickelt den ganzen Ort ab, da montags sowieso nur die Pakete verteilt werden. Der Rest bleibt bis Dienstag liegen. Wird aber von der Post vehement bestritten. Samstags wird keine Post verschickt, sagen die.
Aber nun zu Felix. Der hat mittlerweile sein Päckchen bekommen. Besonders freundlich war der Mann an dem improvisierten Postschalter jedoch nicht. Hatte aber auch Stress, muss ja nebenbei noch Lottozettel annehmen.
Wurst und Brötchen aus dem Supermarkt
Gleich nebenan im Supermarkt erwirbt Felix die Brötchen. Ganz warm sind sie noch. Von 8 bis 22 Uhr werden durchgehend die tiefgefrorenen Rohlinge in den Ofen geschoben. Echtes Handwerk Deutschland 3.0. Die alte Bäckerei im Ort gibts nämlich leider nicht mehr. Da roch es morgens immer so schön, wenn man auf dem Weg in die Grundschule war. Musste aber leider schließen. Mit den günstigen Angeboten im Supermarkt konnte der Bäcker nicht mehr mithalten.
Mit den Brötchen in der Hand geht es weiter zur Wursttheke. Sie ahnen schon: Die Metzgereien gibt’s nicht mehr. Am Anfang haben sich die 1990 noch konkurrierenden Unternehmer zusammengeschlossen und gemeinsame Sache gemacht. Aber die Angebote von der Supermarktkette … Keine Chance!
Für Felix aber kein Problem. Er kennt es ja nicht anders. Und das Stückchen Wurst auf die Hand. Das hat er auch hier bekommen.
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