Was sind Ratingagenturen?
Der englische Begriff „credit rating agency“ besagt etwas deutlicher, was eine Ratingagentur tut. Es handelt sich um unabhängige und private Agenturen. Diese haben es sich zur Aufgabe gemacht, die Finanzkraft von Unternehmen, Finanzprodukten, Wirtschaftszweigen oder Staaten unter bestimmten Gesichtspunkten zu beurteilen und mit einem Buchstabensystem zu bewerten. Das dreifache A stellt die beste Bewertung dar, das dreifache D bedeutet Zahlungsunfähigkeit. Den Ratingagenturen geht es darum, eine möglichst neutrale Risikobewertung gegenüber Kreditvergaben vorzunehmen.
Die bekannten Ratingagenturen, die als „External Credit Assessment Institution“ (ECAI) bezeichnet werden, mussten sich innerhalb der Europäischen Union förmlich anerkennen lassen. Sie unterliegen staatlicher Aufsicht. In der EU darf ohne förmliche Anerkennung keine Ratingagentur neu gegründet werden. Folglich kann die EU solchen Agenturen bei Verstößen gegen bestimmte EU-Gesetze die Lizenz entziehen. Die Ratingagenturen sind in der EU unter die Aufsicht der europäischen Wertpapieraufsicht „European Securities and Markets Authority“ (ESMA) gestellt. Sie werden außerdem von Behörden in den EU-Mitgliedsstaaten überwacht.
Ratings solcher Agenturen bieten eine Bewertungsgrundlage. Anhand dieser kann jeder erkennen, ob die beurteilten Unternehmen oder Staaten solvent sind, oder Kreditschulden abtragen können. Die Kreditgeber erhalten so einen Hinweis auf die Bonität von Kreditnehmern. Diese können Banken sein, aber auch Anleger, die in Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen investieren. Die Geldgeber erhalten dafür Zinsen. Staaten mit einem schlechten Rating finden wegen hoher Ausfallrisiken und mangelnder Bonität kaum Anleger, die ihnen ohne hohe Zinsen Kredite gewähren. Mit hohen Zinsversprechen belegte Anleihen gelten als äußerst riskant.
Welche Aufgaben haben Ratingagenturen?
Ratingagenturen bewerten anhand bestimmter Kriterien die Kreditwürdigkeit von Wertpapieren, Unternehmen, Branchen oder Staaten. Die Bewertung stellt ein wichtiges Signal an den Kapitalmarkt dar. Der Kapitalmarkt kann aufgrund solcher Ratings besser beurteilen, ob ein Unternehmen finanziell stabil ist, oder ein Staat durch den Verfall der Währung, eine Staatkrise oder andere Kriterien in seiner Kreditwürdigkeit gemindert ist. Das Rating von Ratingagenturen gibt an, wie groß die Ausfallrisiken für bestimmte Wertpapiere sind.
Aufgrund solcher Ratings entsteht ein immenser Einfluss auf die Konditionen, zu denen Schuldner sich neues Kapital beschaffen können. Bei schlechten Bewertungen steigen die Zinsen, die Anleihekäufer als Entschädigung für erwartbare Ausfälle erhalten. Im Unterschied zu den Ratingagenturen müssen kommerzielle Investoren oder kreditgebende Banken bei fehlerhaften eigenen Ratings selbst für Kreditausfälle gerade stehen. Eine Ratingagentur erstellt ihre Ratings, ohne dadurch selbst in finanzielle Nöte zu geraten. Sie tritt nicht als Kreditgeber auf. Das macht die Ratings zwar etwas objektiver, aber es mangelt dadurch an Eigenverantwortung. Eventuelle Fehleinschätzungen wirken sich nicht finanziell aus.
Die Agenturen selbst bezeichnen ihre Bewertungen als freie (allerdings bezahlte) Meinungsäußerung. Doch viele Geldgeber verlassen sich auf solche Einschätzungen. Sie verlassen sich darauf, dass die drei Großen in der Branche sachkundig und politisch neutral sind und objektiv korrekt bewerten. Ratingagenturen sollten keine Eigeninteressen verfolgen. Sie sollten seriös und unabhängig bewerten, Integrität, Rechenschaftspflicht und Transparenz auf ihre Fahren schreiben und qualitativ verlässlich sein. Mit einem dreifaches „AAA“ bescheinigt eine Ratingagentur die höchste Kreditwürdigkeit. Das signalisiert Geldgebern geringe Ausfallrisiken. Wer ein „DDD“-Rating erhalten hat, hat keine Kreditwürdigkeit. Die Ausfallrisiken sind enorm.
Welchen Einfluss haben Ratingagenturen
Der Einfluss der Ratingagenturen ist größer, als viele Anleger meinen. Das erkennt jeder daran, dass Agentur-Bewertungen von Krisenstaaten in den Nachrichten erwähnt werden. Für Schuldner haben negative Ratings weitreichende Konsequenzen. Jedes „Downgraden“ bedeutet eine Erhöhung von Kapitalkosten. Oft müssen sich die betroffenen Unternehmen oder Staaten in höherem Umfang neu verschulden, um die Zinstilgung zu stemmen. Die höhere Neuverschuldung kann eine erneute Negativbewertung nach sich ziehen. Die mehrfache Herabstufung von Krisenstaaten führt oft dazu, dass deren Staatsanleihen massiv abgestoßen werden.
Der Markt wird von drei großen Ratingagenturen dominiert. Zugleich geraten diese Agenturen aber zunehmend in die Kritik, weil ihnen mangelnde Transparenz und falsche Bewertungen unterstellt werden. Welche Macht solche Agenturen haben können, wird in Krisenzeiten deutlich. Ein zu positives Rating kann Anleger in falscher Sicherheit wiegen, ein zu schlechtes hält Anleger von Investitionen ab. Während der jüngsten Finanzkrise beschuldigte man die Ratingagenturen, durch zu positive Bewertungen die Anleger zu weiteren Investitionen verleitet zu haben. Diese gingen dann verloren. Die Agenturen verwiesen darauf, dass niemand die Dimensionen der Finanz- und Immobilienkrise habe voraussehen können.
Kritiker sehen ohnehin Interessenskonflikte. Die Ratingagenturen werden nämlich von den Schuldnern finanziert, deren Bonität sie bewerten. Dadurch wird ihre Unabhängigkeit infrage gestellt. Zweifel gibt es auch an der Exaktheit und Verlässlichkeit der Algorithmen, mit denen die Agenturen ihre Ratings erarbeiten. Kritisiert werden die sogenannten „Behelfsgrößen“ für Bewertungskriterien, die geschätzt werden. Zudem betrifft ein Rating immer nur einen Staat oder eine Bank. Es isoliert diese von größeren Zusammenhängen und Systemen, in denen Banken, Unternehmen oder Staaten agieren.
Ratingagenturen werden gelegentlich beschuldigt, zu spät zu agieren. Dann wieder werfen Kreditgeber ihnen überstürztes Handeln vor. Die Bewertung bestimmter Anleihen als „spekulativ“ bleibt eben nicht ohne Folgen. Sie führt zu Panikverkäufen. Schon daran machen sich die hohe Verantwortung und die Marktmacht der drei wichtigsten Ratingagenturen fest. Dennoch sitzen diese Agenturen weiter fest im Sattel. Sie mussten ihre Bewertungs-Standards nicht ändern. Auch die Gründung einer europäischen Ratingagentur steht weiterhin in den Sternen.
Was sind die größten Ratingagenturen?
Die dominierenden drei Ratingagenturen sind „Standard & Poor’s“ und „Moody’s Investor Service„. Ein inzwischen ebenfalls erfolgreicher Konkurrent, der nach oben strebt, ist „Fitch Ratings„. Diese drei Agenturen teilen den Markt fast ganz unter sich auf. Das verschafft ihnen hohe Gewinnmargen und entsprechende Machtfülle. Der Ruf der drei Agenturen hat in der Finanzkrise gelitten, ist aber weiterhin unangetastet. Ratingagenturen werden jedoch nicht mehr als unfehlbare Instanzen angesehen, sondern nur noch als ein Bewertungstool unter vielen.