Ein Spieler hatte in einem Online-Casino knapp 12.000 Euro verloren. Das Geld muss ihn die ehemalige Betreiberin des Online-Casinos jetzt zurückzahlen, wie das Landgericht Gießen urteilte. Der Beginn einer Klagewelle?

Online-Casino-Betreiber haben die Entscheidung der Gießener Richter sicher mit Spannung erwartet. Das Urteil dürfte ihnen aber gar nicht gefallen haben. Denn laut dem Landgericht Gießen muss die ehemalige Betreiberin eines Online-Casinos einem Spieler den kompletten Verlust zurückzahlen, den dieser dort erlitten hat. Konkret handelt es sich dabei um Spielverluste in der Höhe von knapp 12.000 Euro.

Droht Online-Casino-Betreibern eine Klagewelle?

Darüber hinaus muss der Glücksspielanbieter, der laut einem Bericht auf tagesschau.de zur Firmengruppe Entain – in Deutschland vor allem für die Marke Bwin bekann – gehört, auch die Prozesskosten tragen. Wie hoch die sind, ist nicht bekannt. Das Geld dürfte das Unternehmen sowie die gesamte Branche aber weniger schmerzen als mögliche Nachahmer, die dem Beispiel des Klägers folgen.

Schließlich sollen Online-Casinos ohne Lizenz Milliarden an Umsätzen von deutschen Spielern eingenommen haben. Würden alle von Verlusten betroffenen Spieler in Deutschland das Geld jetzt einklagen, kämen hohe Kosten auf die Online-Casino-Betreiber der zu. Weitere Voraussetzung ist natürlich, dass andere Richter der Argumentation ebenfalls folgen würden. Aber Beobachter rechnen durchaus mit einer möglichen Klagewelle.

Kläger sieht im Urteil einen „Meilenstein“

Entsprechend beurteilte Patrick Redell, der Anwalt des Klägers, der wiederum nicht namentlich genannt werden will, das Urteil auch als „Meilenstein“. Redell zufolge handele es sich bei dem Richterspruch nämlich um das bundesweit erste Urteil, bei der „sämtliche offenen Rechtsfragen erörtert“ worden seien, wie tagesschau.de schreibt. Zuvor hatte es demzufolge lediglich einige Versäumnisurteile zugunsten von Spielern gegeben. Dies allerdings „nur“, weil die Online-Casinos nicht rechtzeitig auf eine Anklage reagiert hatten.

Noch ist aber weder für die Casino-Betreiber alles verloren, noch für die Spieler in Deutschland alles gewonnen. Denn das Urteil des Landgerichts Gießen (Aktenzeichen: 4 O 84/20) ist noch nicht rechtskräftig. Noch bis Anfang April könnte Entain/Bwin dagegen vor dem Oberlandesgericht Frankfurt Berufung eingelegt werden. Gegenüber NDR und SZ wollte ein Bwin-Sprecher das Verfahren selbst nicht kommentieren.

Urteil noch nicht rechtskräftig, Bwin sieht sich im Recht

Entsprechend ist auch nicht klar, ob es eine Berufung geben soll. Bwin stellte aber klar, dass seiner Meinung nach die Glücksspiel-Angebote des Unternehmens in Deutschland „den Anforderungen der von den Bundesländern verabschiedeten Kriterien bis zum Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags im Juli dieses Jahres entsprechen“. Nach Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags 2021 soll es möglich sein, legale Lizenzen für das Online-Glücksspiel zu erwerben, wenn auch mit Einschränkungen.

Bis zum Juli ist die rechtlich Lage zum Thema Online-Glücksspiele in Deutschland jedenfalls umstritten. Aktuell sind Online-Glücksspiele in Deutschland nicht erlaubt – eigentlich. Die auch für Deutsche zugänglichen Online-Casinos und Glücksspielangebote verfügen über Lizenzen, etwa in Malta, Gibraltar oder der Isle of Man – seit die letzten Lizenzen für den deutschen Markt 2019 ausgelaufen sind.

Darf ein Online-Casino Glücksspiel in Deutschland anbieten?

Die Online-Casinos berufen sich darauf, dass sie ihre Spiele dank der Malta-, Gibraltar- oder Isle-of-Man-Lizenzen in der ganzen EU anbieten können. Das in Deutschland geltende Verbot von Online-Glücksspiel sei aber, wie das Landgericht Gießen in seiner Urteilsbegründung schreibt, „weder durch Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, noch des Bundesverfassungsgerichts, noch des EuGH außer Kraft gesetzt oder für nichtig erklärt worden“.

Vor diesem Hintergrund hatte der Kläger in der aktuellen Klage argumentiert, dass das Casino-Angebot, bei dem er das Geld verloren hatte, in Deutschland verboten gewesen sei. Weil es sich um illegales Glücksspiel gehandelt habe, müsse ihm das Geld zurückgezahlt werden. Interessanterweise spielte es keine Rolle, dass der Spieler an dem unerlaubten Glücksspiel gar nicht hätte teilnehmen dürfen.

Schutz der Spieler vor suchtförderndem Verhalten

Die Richter befanden vielmehr den Passus im aktuell noch geltenden Glücksspielstaatsvertrag entscheidend, nachdem dieser Spieler vor „suchtfördernden, ruinösen und/oder betrügerischen Erscheinungsformen des Glücksspiels“ schützen solle. Für diesen Schutz soll übrigens ab Juli sorgen, dass es ein individuelles monatliches Einzahlungslimit von 1.000 Euro pro Spieler für alle Anbieter gibt.

veröffentlicht von Jörn

Jörn Brien ist Chefredakteur und Betreiber von Die Wirtschaftsnews – deinem Ratgeber für Aktien und Kryptowährungen. Der Journalist arbeitet(e) für verschiedene namhafte Publikationen in Deutschland und Österreich, darunter Golem, Kurier, t3n, e-media, Futurezone und pressetext. Darüber hinaus betreibt er den Online-Buchshop Meine Buchhandlung Wien und mehrere Facebook-Gruppen sowie Blogs.