Rund 100.000 Regelinsolvenzen werden im Jahresdurchschnitt in Deutschland angemeldet. Ob es einen Ausweg aus der finanziellen Schieflage gibt oder eine Abwicklung unvermeidbar ist und welche Schritte im Einzelnen vorzunehmen sind, ist gesetzlich genau vorgegeben.

Wer gilt als insolvent?

Sobald ein Unternehmen in die Zahlungsunfähigkeit rutscht und seinen Verpflichtungen gegenüber Gläubigern nicht mehr nachkommen kann, gilt es nach deutschem Recht als insolvent. Dies ist zunächst unabhängig von Branche, Größe oder Gesellschaftsform und mündet am Ende in einer steigenden Profitabilität oder der endgültigen Auflösung. In der Insolvenzverordnung (InsO) ist detailliert festgeschrieben, welche Maßnahmen Betroffene zu welchem Zeitpunkt zu treffen haben.

Hinweis: Auch nicht-selbstständige Privatpersonen können Insolvenz anmelden. Im Gegensatz zum Regelinsolvenzverfahren bei Unternehmen soll die Verbraucherinsolvenz den Schuldner von seinen finanziellen Verpflichtungen befreien und für die Dauer des Insolvenzverfahrens vor Zwangsvollstreckungsmaßnahmen schützen.

Ein Unternehmen gilt ausschließlich dann als insolvent, ist einer der folgenden drei Gründe einschlägig:

  1. Zahlungsunfähigkeit nach § 17 Abs. 2 InsO. Unfähigkeit, mindestens 90 Prozent aller fälligen Zahlungspflichten innerhalb von drei Wochen zu begleichen
  2. Drohende Zahlungsunfähigkeit nach § 18 Abs. 2 InsO: Bestehende Zahlungspflichten werden sich zum Fälligkeitszeitpunkt nicht erfüllen lassen. Es gilt ein Prognosezeitraum von 24 Monaten
  3. Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO: Bestehende Verbindlichkeiten lassen sich weder das bestehende Unternehmensvermögen noch durch eine voraussichtliche Sanierung decken

Tipp: Nicht immer ist auf Anhieb ersichtlich, ob die Voraussetzungen für eine Insolvenz erfüllt sind. Betroffene können Unterstützung der Schuldnerhilfe in Anspruch nehmen oder einen Fachanwalt beauftragen.

Firmeninsolvenz anmelden

Bei Vorliegen einer Insolvenz muss diese innerhalb von

  • drei Wochen bei Zahlungsunfähigkeit
  • sechs Wochen bei Überschuldung

beim zuständigen Amtsgericht durch den Unternehmensinhaber oder bevollmächtigte Geschäftsführer beantragt werden.

Insolvenz verpflichtet: In Ausnahmefällen haben auch Gläubiger mit offenen Forderungen ein Anrecht auf eine Antragstellung. In diesen Fällen erfolgt eine besonders präzise Überprüfung durch die Gerichte – denn gemäß § 15a InsO ist eine Insolvenzverschleppung eine Straftat. Wer seine Insolvenz zu spät oder gar nicht anmeldet, muss danach mit einer Gefängnisstrafe von maximal drei Jahren sowie einer Haftung mit seinem Privatvermögen rechnen.

Antragsinhalt

Das Antragsformular für eine Insolvenz steht im Internet zum Download bereit. Anzugeben sind unter anderem

  • Tätigkeitsfeld des Unternehmens
  • Mitarbeiteranzahl
  • Insolvenzgrund
  • bestehende Vermögenswerte
  • offene Forderungen
  • Sanierungsoptionen

Ein Sachverständiger prüft den Antrag auf Vollständig- und Rechtmäßigkeit, im Anschluss das Amtsgericht die aktuelle Vermögensmasse des Unternehmens. Denn das Verfahren kostet Geld: Der Insolvenzverwalter will bezahlt werden, vor Gericht fallen Gebühren an.

  • Bei unzureichenden finanziellen Mitteln wird das Unternehmen sofort zwangsweise aufgelöst und auf ein Insolvenzverfahren verzichtet
  • Ist genug Geld zur Begleichung anfallender Verfahrenskosten und fälliger Forderungen externer Gläubiger vorhanden, wird dem Antrag stattgegeben und das Insolvenzverfahren eröffnet

Fortführung der Tätigkeiten

Jedes Regelinsolvenzverfahren wird durch einen gerichtlichen Beschluss eröffnet. Das Gericht bestimmt zudem einen Insolvenzverwalter, der ab diesem Zeitpunkt die Entscheidungsgewalt vom Geschäftsführer übernimmt, Pfändungen unbeweglicher Vermögenswerte unterbindet und eine weitere Verschuldung bestmöglich verhindert. Sämtliche Einnahmen laufender Produktionen gehen in die Vermögensmasse über. Ist das Unternehmen von einer erfolgreichen Sanierung überzeugt, kann es einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung stellen. Statt Insolvenzverwalter wird ein Sachverwalter bestimmt.

Hinweis: Die Gehälter der Mitarbeiter werden für bis zu drei Monate von der Bundesagentur für Arbeit vorfinanziert. Eine Kürzung des Gehalts ist unzulässig, die gesetzlichen Kündigungsfristen bleiben bestehen.

Nach einigen Wochen legt der Insolvenzverwalter einem Gläubigerausschuss Zahlen zur Wirtschaftslage des Unternehmens vor. Gemeinsam entscheiden sie über eine

  • Unternehmenssanierung
  • teilweise Unternehmensauflösung mit einem Abstoßen vereinzelte Unternehmenszweige
  • Unternehmensauflösung

Rechte der Gläubiger

Ein Insolvenzverfahren wird öffentlich bekannt gegeben: Der Startschuss für Gläubiger, ihre offenen Forderungen anzumelden. Denn nur dann werden diese vom Insolvenzverwalter berücksichtigt, der die Gläubiger selbst wiederum in vier Kategorien einteilt:

  1. Gläubiger mit Aussonderungsrecht haben ein Anrecht auf komplette Vermögensgegenstände und können deren Aufnahme in die Insolvenzmasse verhindern. Beispiel: Eigentumsvorbehalt
  2. Gläubiger mit Absonderungsrecht haben eine vertragliche Berechtigung auf einen bestimmten Gegenstand. Nach dessen Verkauf erhalten sie den Erlös bis zur vereinbarten Summe, liegt dieser darunter, können Sie als einfacher Gläubiger auf die Zahlung der Differenz hoffen. Beispiel: Sicherungseigentum bei Kreditvergabe
  3. Steht ein Gläubiger beim insolventen Unternehmen selbst in Schuld, lassen sich beide Forderungen gegeneinander aufrechnen. Auch er kann als einfacher Gläubiger auf weitere Zahlungen hoffen
  4. Als einfacher Gläubiger gilt jeder Gläubiger ohne eines der genannten besonderen Rechte. Jeder von ihnen erhält aus der verbleibenden Insolvenzmasse den identischen Prozentsatz – abhängig von der Forderungshöhe können sich hieraus unterschiedliche Beträge ergeben. Ist nach Auszahlung der Gläubiger noch ein Restbetrag vorhanden, werden durch ihn nachrangige Forderungen durch die Gläubiger beglichen. Beispiel: Zinszahlungen

Das verbleibende Vermögen wird unter den Gesellschaftern aufgeteilt.

Nicht immer reicht das Vermögen zur Begleichung aller Forderungen aus.

  • Bei Kapitalgesellschaften müssen Gläubiger ihre Verluste abschreiben
  • Bei Personengesellschaften ist eine Inanspruchnahme persönlich haftender Gesellschafter möglich

veröffentlicht von Jörn

Jörn Brien ist Chefredakteur und Betreiber von Die Wirtschaftsnews – deinem Ratgeber für Aktien und Kryptowährungen. Der Journalist arbeitet(e) für verschiedene namhafte Publikationen in Deutschland und Österreich, darunter Golem, Kurier, t3n, e-media, Futurezone und pressetext. Darüber hinaus betreibt er den Online-Buchshop Meine Buchhandlung Wien und mehrere Facebook-Gruppen sowie Blogs.