Dirk Roßmann hat keine Bilderbuchkarriere hinter sich, aber als Unternehmer dennoch erstaunliches geleistet. Der gelernte Drogist, der nach eigener Aussage aus kleinsten Verhältnissen stammt und in seiner Jugend bettelarm war, wird heute in der Forbes-Liste geführt und platziert sich regelmäßig unter den Top 50 der deutschen Einkommensmillionäre.
Der Unternehmer
Roßmann wurde am 7. September 1946 in Hannover geboren. Seine Eltern, Hilde Wilkens und Bernhard Roßmann, betrieben gemeinsam eine Drogerie in einem der Außenbezirke der niedersächsischen Hauptstadt. Dass dem Unternehmer der Einzelhandel im Blut liegt, ist nicht weiter verwunderlich. Seine Großeltern mütterlicherseits besaßen ein großes Pelzgeschäft, sein Vater hatte die Drogerie von den eigenen Eltern übernommen. Der Einzelhandel hatte in der Familie Wilkens-Roßmann also bereits Tradition. Der frühe Tod seines Vaters, der verstarb als Dirk Roßmann gerade einmal 14 Jahre alt war, zwang seine Mutter aber, das gesamte Familienvermögen zu verkaufen, um wenigstens die kleine Drogerie in Hannover zu erhalten. Nach Beendigung der Hauptschule, einen höheren Schulabschluss hat der Unternehmer nie erreicht, absolvierte Roßmann eine Lehre als Drogist und arbeitete anschließend im elterlichen Betrieb. In seiner Freizeit beschäftigte sich Roßmann mit Philosophie und begeisterte sich für die Werke von Friedrich Nietzsche und Arthur Schopenhauer. Die erste große Herausforderung musste der angehende Multimillionär meistern, als er mit 18 Jahren zur Bundeswehr einberufen wurde. Roßmann hat damals seine Familie alleine ernährt und seinem kleinen Bruder ein Studium finanziert. Auch die kranke Mutter und die Großeltern waren auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Als alle juristischen Mittel gegen die Einberufung scheiterten, zeigte Roßmann das erste Mal, wie viel Hartnäckigkeit und Erfindungsreichtum in ihm steckten. Nach dem er ganz gezielt fortgesetzt Befehle verweigerte, wurde er mit Ausgangssperren und Disziplinararrest bestraft und sogar für vier Wochen in einer Nervenklinik untergebracht. Danach gab die Heeresführung aber auf und Roßmann wurde, kaum vier Monate nach seiner Einberufung, wieder entlassen. Jetzt konnte er sich darauf konzentrieren, den elterlichen Betrieb wieder auf Vordermann zu bringen. Der erste große Coup gelang ihm kaum sieben Jahre später als 25jährigem. Im März 1972 eröffnete er in Hannover den „Markt für Drogeriewaren“, den ersten Discountmarkt für Drogerieartikel in Deutschland. Dirk Roßmann gilt deshalb als Erfinder und Pionier der modernen Drogerieketten. Seine erste Filiale war ein voller Erfolg. Am Eröffnungstag standen die Kunden in dem kleinen Geschäft in der Jacobistraße Schlange. Roßmann erzählt noch heute stolz, dass er damals statt der erwarteten 3.000 D-Mark stattliche 20.000 in der Kasse liegen hatte. Damit begann die Erfolgsgeschichte der Dirk Rossman GmbH.
Privat ist der Unternehmer in zweiter Ehe verheiratet und hat zwei Söhne. Er gilt als sozial engagiert und pflegt einen Lebensstil, den er selbst als mittelständisch beschreibt. Sein zwanzigprozentiger Anteil an dem Fußballverein Hannover 96 gilt als der einzige echte Luxus, den der Milliardär sich gönnt. Das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes schätzt sein Vermögen auf etwa 2,7 Milliarden Dollar, was etwa 2,3 Milliarden Euro entspricht. Dennoch hat er in der Vergangenheit mit einem Plädoyer für die Einführung einer „Reichensteuer“ immer wieder für Aufsehen gesorgt. In den letzten Jahren ist es um den mittlerweile 72jährigen still geworden. Er führt aber nach wie vor, gemeinsam mit seiner zweiten Ehefrau Alice Schardt-Roßmann, die Geschäfte der Dirk Rossmann GmbH, deren Schreibweise vom Familiennamen abweicht, weil man sich so eine größere Akzeptanz im Ausland erhoffte, wo das „ß“ unbekannt ist.
Das Unternehmen
Der Konzern, den Dirk Roßmann aufbaute, hat seit der Eröffnung der ersten Filiale in Hannover einen weiten Weg zurückgelegt. Seit der Insolvenz des schwäbischen Konkurrenten Schlecker ist die Dirk Rossmann GmbH die Nummer zwei auf dem Deutschen Drogeriemarkt. Noch erfolgreicher ist nur die von Götz Werner 1973 in Karlsruhe gegründete Drogeriemarktkette DM. Der Weg zum Erfolg führte die Rossman GmbH nach dem Fall des Eisernen Vorhangs erst nach Ostdeutschland und danach nach Osteuropa. Auch hier leistete Rossmann Pionierarbeit und war meist schon einige Jahre vor der Konkurrenz da. In den 1990er Jahren hat Rossmann seine ersten 100 Filialen eröffnet, aber dabei sollte es nicht bleiben. Die Expansion wurde energisch vorangetrieben. Heute ist die Unternehmensgruppe in Polen, Tschechien, Ungarn, dem Kosovo und der Türkei vertreten. Allerdings blieben auch Rückschläge nicht aus.
1996 stand die Drogeriekette kurz vor dem aus. Der Konzern war hoch verschuldet, Dirk Roßmann hatte sich privat an der Börse verspekuliert und erlitt zudem noch einen Herzinfarkt. Dass die Krise abgewendet werden konnten, war, wie der Unternehmer der Wochenzeitschrift „Zeit“ in einem Interview verriet, einem persönlichem Brief zu verdanken, den Roßmann an seine 20 Gläubiger-Banken schrieb. Hier zeigte er die gleiche Gerissenheit und Sturheit, wie damals bei der Bundeswehr und konnte schließlich 17 Banken dazu überreden, seine Kredite zu prolongieren. Das Risiko zahlte sich für die Investoren aus. Schon ein Jahr später war die Rossmann-Gruppe wieder profitabel und ist es bis heute geblieben. Mittlerweile betreibt der Konzern weltweit knapp 3.800 Filialen, gut 2.100 davon in Deutschland. Hier beschäftigt das Unternehmen 32.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, global sind es bereits über 54.000. 2017 erwirtschaftete der Konzern einen Gesamtumsatz von 9 Milliarden Euro, Konkurrent DM schaffte eine Milliarde mehr.
Die Skandale
Dirk Roßmann und sein Unternehmen waren nie so stark Umstritten wie die von Anton Schlecker geführte Konkurrenz. Dennoch machte Roßmann in den letzten Jahren immer wieder Negativ-Schlagzeilen. 2012 deckte das Handelsblatt auf, dass sich der als sozial engagiert geltende Unternehmer schamlos an der Ausbeutung von Hilfsarbeitern bereicherte. Die Rossmann GmbH hatte damals für das Auffüllen der Regale und andere Hilfsarbeiten Subunternehmer beschäftigt, bei denen offensichtlich nur auf den Preis, nicht auf die Unternehmenskultur geachtet wurde. Die Firmen bezahlten ihren meist weiblichen Beschäftigten nur etwa 67 Prozent des Tarif-Lohns. Besonders pikant an der Sache: Roßmann bzw. die Rossman GmbH waren als Investoren an den ausbeuterischen Subunternehmern beteiligt. Auch 2017 und 2018 hat dass Image des Unternehmens stark gelitten. 2017 sorgte bezahlte Schleichwerbung auf Instagram für Aufsehen. Der Fall wurde vor dem Oberlandesgericht Celle verhandelt, dass die Rossmann Online GmbH für schuldig befand und für den Wiederholungsfall mit einer empfindlichen Geldbuße belegte. Richtig teuer wurde es dann 2018. Das Bundeskartellamt war Rossmann und der Kaffeerösterei Melitta auf die Schliche gekommen und hatte wettbewerbswidrige Preisabsprachen aufgedeckt. Im März 2018 hat das Oberlandesgericht Düsseldorf das Unternehmen Rossmann deshalb wegen einer vorsätzlich begangenen Kartellordnungswidrigkeit zu einem Bußgeld von stattlichen 30 Millionen Euro verurteilt.
Hier hat sich die legendäre Hartnäckigkeit von Dirk Roßmann einmal nicht ausgezahlt. Das Bundeskartellamt hatte sich ursprünglich mit einer Buße von 5 Millionen Euro begnügt. Die Geschäftsführung des Konzerns beschloss aber, gegen die Entscheidung der Bundesbehörde gerichtlich vorzugehen und hat nun eine ebenso herbe wie teure Niederlage erfahren. Allerdings geht es dem Unternehmen mittlerweile wirtschaftlich wieder so gut, dass es die 30 Millionen fast schon aus der Portokasse begleichen kann.