Woche für Woche lesen wir von neuen Anfeindungen gegenüber dem Fußball-Bundesligisten RB Leipzig. Auf Plakaten und Spruchbändern wird der aufstrebende Verein und seine Anhänger aus Deutschlands Osten teils auf übelste Art und Weise beschimpft. Doch richtet sich hier der Protest nur gegen den von Red Bull subventionierten Klub oder steckt da doch viel mehr aufgestauter Frust in Deutschlands Kurven und Geraden dahinter?
Um der Sache auf den Grund zu gehen drehen wir das Rad der Zeit ein wenig zurück
Alle fußballbegeisterten Deutschen, welche vor den 90er Jahren geboren wurden, können sich noch daran erinnern: Samstags morgens traf man sich mit den Kumpels zum Kicken auf dem Sportplatz oder dem heimischen Garten. Gegen 15.00 brachten die Väter dann Ihre Autos auf Vordermann. Wenn um 15.30 Uhr die Autos endlich ausgesaugt und von Ihren Krümmeln befreit waren, hörte man die Straße runter verschiedenes Dudeln aus den Autoradios. Immer wieder unterbrochen von den aktuellen Zwischenständen – aus neun Stadien der deutschen Bundesliga.
Gegen 17.00 Uhr durfte man sich dann in das von Papa bereits benutzte und entsprechend nur noch halb warme Badewasser legen und die Schlusskonferenz beim Baden im Radio verfolgen. Später wurden die zuvor bereits akustisch wahrgenommenen Tore auch optisch konsumiert.
Europapokal-Spieltage waren Festtage. Oft begannen diese mit einem Auswärtsspiel in Russland am frühen Nachmittag bei welchem man im weiten Rund neben viel Nebel nur selten Highlights im Spiel wahrnehmen konnte.
Gegen Abend wurden die Spiele hochklassiger, die Gegner südländischer, Werder schoss sich warm und ließ hinten auch viel zu… und wenn dann ein Spieler wie Edgar Schmitt seiner überschaubaren sportlichen Karriere ein echtes i-Tüpfelchen aufsetzte, sprach Fußballdeutschland noch tagelang am Arbeitsplatz und in der Schule von den Spielen.
Fußball nicht mehr nur Samstags 15.30
Heutzutage ist der Spieltag aufgesplittet. Freitags abends um 20.30 Uhr findet das erste Spiel statt. Samstags mittags folgt der Hauptblock mit 5 Begegnungen, gefolgt vom „Dingsbums-Topspiel“ am Samstag Abend. Sonntags wird der Spieltag mit zwei weiteren Einzelbegegnungen um 15.30 und 17.30 Uhr komplettiert.
Ab kommender Saison sind auch für Montags in Ausnahmefällen Bundesligaspiele geplant.
Somit nähert sich die Bundesliga immer mehr Ihrem Marketing-Vorbild Premier League an, wo der Spieltag noch weiter zerpflückt wurde.
Gerade Sky als übertragender Sender sollte großes Interesse die „Konferenz“ mit möglichst vielen Spielen am Leben zu erhalten. Bundesliga ist – egal ob zuhause oder im Stadion – Samstags um 15.30 Uhr am schönsten.
Die Situation in den Stadien
Wie aber lässt sich dadurch die negative Stimmung gegen RB Leipzig erklären? Neben der zunehmenden Kommerzialisierung (durch Aufsplittung der Spieltage usw.) sehen die Fußballfans eine besondere Gefahr für ihren Sport durch Vereine, welche es nur dank Ihrer Sponsoren in die höchste Spielklasse Deutschlands geschafft haben. Der Verein Rasenballsport Leipzig – benannt nach den Firmeninitialen des Sponsors Red Bull – ist ein Kunstprodukt, welches mit großzügiger finanzieller Unterstützung des Energydrink-Herstellers innerhalb kürzester Zeit den Weg aus der Bedeutungslosigkeit an die Tabellenspitze der deutschen Eliteliga geführt wurde.
Zudem hat, neben den von Großsponsoren abhängigen Vereinen (Leverkusen, Wolfsburg), mit der TSG Hoffenheim bereits vor wenigen Jahren ein weiterer Klub den Sprung in die Premiumliga (höchstwahrscheinlich) nur dank der großen Unterstützung Ihres Mäzens Hopp (SAP) geschafft.
Beide Male in sportlicher Verantwortung: Der Fußballlehrer Ralf Rangnick. In Hoffenheim einst als Trainer erfolgreich leitet er nun als Sportdirektor die Geschicke von RB Leipzig. Somit bietet er aufgrund seiner Historie auch als Einzelperson eine Angriffsfläche. Leider wird hierbei oft Rangnicks frühere Krankheit (Burn-Out) in den Mittelpunkt der Anfeindungen gesteckt.
Somit änderte sich im Verlauf der letzten Jahren das Tabellenbild der Bundesliga. Traditionsvereine wie Saarbrücken, Waldhof Mannheim, Aachen und Kaiserslautern sind von der Bildfläche verschwunden oder können den Anschluss an die Tabellenspitze der zweiten Liga nicht mehr halten.
Dort stehen derzeit mit dem VFB Stuttgart und Hannover 96 durchaus ambitionierte Vereine der letzten 10, 15 Jahre Bundesligageschichte.
Mit Ihrer Art des Protests versuchen die Ultras und weitere Anhänger in der Kurve Ihre Werte zu verteidigen und damit auf weitere Gefahren hinzuweisen (Zum Beispiel das Kippen der 50+1-Regel, welche die vollständige Inhaberschaft der Klubs an einen einzigen Sponsor/Mäzen verhindern soll).
Das dabei in einem Fußballstadion verbal über das Ziel hinausgeschossen wird, sollte keine allzu großen Diskussionen nach sich führen. Das beim Konsum eines Fußballspiels das Sprachniveau deutlich gesenkt wird, kann jeder an sich selbst überprüfen. Oder wie haben Sie vor dem Fernseher reagiert als Frank Riijkard Rudi Völler im WM-Achtelfinale 1990 ins Haar gespruckt hat? Das ein oder andere, vielleicht sogar rassistische, Schimpfwort wird dem ein oder anderen beim Schauen eines Fußballspiels bereits über die Lippen gekommen sein. Böse gemeint war dies sicher nicht.
In Gewalt gegen andere Zuschauer darf dies jedoch natürlich nicht ausarten. Familien mit Kleinkindern sollten das Erlebnis Livespiel ohne Angst genießen können. Am liebsten Samstags – um 15.30 Uhr. Ein Kampf den organisierte Fangruppierungen wie Pro 15.30 leider schon verloren haben.