Das Wasserstoffauto hat verloren. Zumindest ist es das, was man immer wieder hört und liest. Wenn man denn überhaupt etwas über die Brennstoffzellentechnik liest. Denn die Dominanz der rein elektrisch betriebenen Elektroautos in den Medien und Köpfen ist momentan äußerst groß.
Das ist erstaunlich und ein wenig befremdlich, schließlich galt der Wasserstoffantrieb lange als Zukunftstechnologie. Aus der Raumfahrt ist er nicht mehr wegzudenken. Er ist sauber, und viele Hersteller haben trotz aller öffentlichen Zweifel funktionierende und leistungsstarke Wasserstoffauto-Modelle auf den Markt gebracht. Ein Plädoyer für die Brennstoffzelle im Automobil.
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Wie eine Brennstoffzelle funktioniert – und wie nicht
Eine Brennstoffzelle verbrennt etwas, so zumindest ein verbreiteter Gedankengang. Wenn etwas verbrannt wird, entstehen Abgase, Rauch, Ruß, Feinstaub – und das zusammen sei dann schädlich für das Klima. Diese Assoziationskette funktioniert für Brennstoffzellentechnologie allerdings nicht. Und dieser Denkfehler kann aufgelöst werden, wenn man sich die Verbrennungsart genauer ansieht.
Der technische Begriff für den Vorgang in einer Wasserstoff-Brennstoffzelle nennt man „kalte Verbrennung“. Der Aufbau der Zelle ähnelt dem einer Batterie, wobei bei der Brennstoffzelle Wasser, Sauerstoff und ein Elektrolyt die Hauptbestandteile sind. Elektrolyte sind flüssige, feste oder auch gelartige chemische Substanzen, die durchlässig für Ionen, also negativ geladene Teilchen, sind.
Ein solches Elektrolyt trennt nun in Form einer für Ionen durchlässigen Membran den Wasserstoff und Sauerstoff. Es sorgt damit für das Fließen der Ionen zwischen Wasserstoff und Sauerstoff und erzeugt so Elektrizität und Wärme. Das Endprodukt ist: Wasser. Kein Rauch, kein Ruß, kein Feinstaub. Damit ist diese Technologie äußerst umweltfreundlich – sofern der Wasserstoff nachhaltig gewonnen werden kann. Exkurs: Die Bundesregierung will sogenannten „grünen“ Wasserstoff jetzt in Afrika kaufen, wo man ihn dank Solarenergie CO2-neutral gewinnen kann.
Wasserstoff-Gewinnung als Effizienzproblem
Zwar stimmt es, dass Wasserstoff zunächst künstlich erzeugt werden muss. Auch wahr ist, dass dieser Prozess ebenfalls Energie benötigt, die man zurzeit hauptsächlich aus Erdgas zieht. Aber einerseits verbrennt Erdgas im Gegensatz zu anderen fossilen Brennstoffen relativ sauber und hinterlässt so einen geringeren ökologischen Fußabdruck. Andererseits steckt die Entwicklung von Alternativen noch in den Kinderschuhen. So bieten beispielsweise die Vergasung und Vergärung von Biomassse oder Wasserstoff aus Grünalgen neue Möglichkeiten, den chemischen Stoff zu erhalten.
Umweltfreundlich ist auch das sogenannte Kaevner-Verfahren, bei dem in einem Plasmabrenner bei circa 1.600 Grad Celsius Erdgas CO2-frei in Aktivkohle (reinen Kohlenstoff) und Wasserstoff getrennt wird. Zusätzlich ist Wasserstoff aber auch oft ein chemisches Nebenprodukt beispielsweise bei der Gewinnung von Chlor oder der Öl-Raffinade. Geschickt geplant, könnten hier Industriecluster entstehen, die Synergieeffekte erzeugen. Das könnte die ökologische und finanzielle Effizienz der Wasserstoffgewinnung steigern.
Wasserstoffauto als Hightech-Produkt
Ein weiterer Vorwurf lautet: Das Wasserstoffauto ist zu teuer. Die Produktionskosten seien zu hoch, die Technologie zu unausgereift und die mittlerweile von vielen Seiten forcierte Entwicklung des rein Batterie-betriebenen Elektroautos ist einfach eine zu starke Konkurrenz. Damit könne das Wasserstoffauto niemals die Reife für due Massenproduktion erreichen, die eine Grundvoraussetzung für flächendeckenden Erfolg wäre.
Dabei hat die Entwicklung der Brennstoffzellentechnologie in der Automobilbranche in den letzten dreißig Jahren viele Kinderkrankheiten bereits gelöst. Viele Komponenten, die früher die Produktionskosten und damit den Preis des Endprodukts in die Höhe trieben, sind ausgetauscht oder überarbeitet worden. Ein Bestandteil, der nach wie vor hohe Kosten verursacht, bleibt das Platin, das bisher als Katalysator verwendet wurde. Hier haben Forscher und Ingenieure allerdings einige Erfolge mit extrem dünnen, weniger als drei millionstel Millimeter dicken Platinschichten erzielt, während zeitgleich an der University of California bereits erfolgreich mit Kobalt als Platinersatz experimentiert wird.
Neue Modelle nähern sich Verbrennern an
Dabei entwickelten sich die Wasserstoffautos immer weiter, sodass sie sich in puncto Konkurrenzfähigkeit Modellen mit Verbrennungsmotor immer weiter annähern. Während beispielsweise das Brennstoffzellensystem bei Daimlers NECAR 5, einer umgebauten B‑Klasse, vor 15 Jahren noch den gesamten Unterboden ausfüllte, konzentriert sich die benötigte Technik heute nur noch auf den Raum unter der Motorhaube. Beim Clarity Fuel Cell von Honda, einem der ersten Serienfahrzeuge mit Brennstoffzelle auf dem Markt, hat der Antrieb zum Beispiel die Größe eines herkömmlichen Sechszylindermotors. Dabei leistet das Wasserstoffmodell starke 130 Kilowatt.
Besonders bei Luftfluss und Kühlung erzielten die Ingenieure zuletzt erhebliche Fortschritte. Toyota hat daher schon vor rund einem Jahr angekündigt, dass sich durch neue Innovationen der Preis von Wasserstoffautos bis 2020 halbieren soll – von jetzt rund 80.000 Euro auf 40.000 Euro. Damit werden die Wagen auch für die mittleren Einkommensschichten erschwinglicher. Die Branche verspricht sich hohes Wachstumspotenzial und – bei Ausbau von Forschung und Infrastruktur – die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Der Wille zum Wasserstoffauto ist da
Ein weiteres weit verbreitetes Gegenargument zum Wasserstoffantrieb bezieht sich auf den angeblich mangelnden Willen von Politik und Wirtschaft, das Reifen der Technologie voranzutreiben. Weil sich die Produktion nicht lohne, betrieben Automobilkonzerne erfolgreich Lobbyarbeit und verhinderten somit den Sprung ins Wasserstoff-Zeitalter in der Automobilindustrie. Damit bliebe der Verbrennungsmotor auf lange Sicht die dominante Antriebsform auf Deutschlands Straßen.
Das ist aus mehreren Gründen nicht ganz richtig. Die Skepsis bei Politikern und insbesondere deutschen Autobauern ist zwar immer noch groß, dennoch haben viele das Potenzial der Brennstoffzelle erkannt. Die Bundesregierung will die Forschung bis zum Jahr 2026 mit bis zu 1,4 Milliarden Euro fördern. Industrie und Wissenschaft haben bisher mehr als zwei Milliarden Euro zugesagt. 13 internationale Unternehmen haben den sogenannten „Hydrogen Council“ gegründet, eine Wasserstoff-Initiative, die den Ausbau der Technologie vorantreiben will. Mitglieder sind auch Daimler, BMW sowie der ursprünglich deutsche Gashersteller Linde.
Mit den Modellen kommt die Infrastruktur
BMW will bis 2025 Brennstoffzellen-Autos in Serie auf die Straße bringen. Volkswagen bleibt zurückhaltend, behält den Wasserstoffantrieb jedoch im Blick: Über die Tochter Audi hat der Konzern vor wenigen Monaten eine Vereinbarung mit Hyundai zur Kreuzlizenzierung von Patenten für Brennstoffzellenfahrzeuge abgeschlossen. Der Mittelklasse-SUV GLC F-Cell von Daimler-Benz kombiniert Elektrobatterie mit Brennstoffzelle. Der Grund für den mangelnden Purismus von Daimler: Die Anzahl von Tankstellen für Wasserstoff sei zu gering.
Tatsächlich zählt Deutschland, je nach Quelle, 40 bis 100 dieser Wasserstoff-Tankstellen, an denen man innerhalb weniger Minuten per Knopfdruck ein Wasserstoffauto auftanken kann. Während die Dichte in Ballungsräumen wie Berlin, Hamburg oder dem Ruhrgebiet relativ hoch ist, ist die H2 Tankstellenkarte in Mittel- und Norddeutschland noch relativ leer. Hier ist allerdings Bewegung auf dem Markt: Die Zahl der Wasserstofftankstellen steigt stetig. Die notwendigen Investitionen sind relativ gering. Zudem hat der Marktführer für Geländewagen und Pick-ups in China, Great Wall Motors, angekündigt, in den Ausbau des Netzes einzusteigen.
Fazit: Mehr Bewegung als man glaubt
Totgesagte leben länger – besonders innovative und potenziell lukrative Ideen. Das gilt wahrscheinlich auch für die Technologie der Brennstoffzelle in Fahrzeugen. Mit den Neuerungen der letzten Jahre, starkem Investment in die Entwicklung und einer wachsenden Lobby bringt sich der Wasserstoffantrieb in Stellung. Das Wasserstoffauto dürfte auch in der Zukunft noch eine Rolle spielen – mindestens als Alternative in der Schublade, wenn nicht sogar bereits auf den Straßen selbst.
Mit dem viel diskutierten Kohleausstieg, dem Klimawandel und der damit verbundenen höheren Bereitschaft, auf saubere Technologien zu setzen, kommen Autokäufer und Verantwortliche in der Politik an diesem Thema auch kaum vorbei. Der Druck aus Asien, insbesondere von Toyota und Honda, aber auch seitens chinesischer Hersteller nimmt weiter zu. Auch wenn also das rein batteriebetriebene Elektroauto zurzeit die Medien dominiert – das Kapitel Wasserstoffantrieb als Alternative scheint lange noch nicht zu Ende geschrieben.
(Dieses Update basiert auf einem Artikel aus dem Jahr 2018.)