Er ist wieder da. Wer hätte geglaubt, dass Friedrich Merz sich das nochmals antut. Er war zur Jahrtausendwende eine Macht in der CDU, eines der größten politischen Talente. Dann verzichtete er wegen Angela Merkel auf eine politische Karriere und zog sich in die private Wirtschaft zurück. Jetzt kehrt er zurück, wieder wegen Angela Merkel. Nicht, um sich mit ihr politisch auseinanderzusetzen, sondern um sie zu beerben.
Politische Träume – vom Ende einer Illusion
Friedrich Merz hatte politisch schon einiges erreicht, bis er selbst Opfer des Taktierens in seiner eigenen Partei wurde. Seine politische Karriere begann früh. Bereits als 34-jähriger wurde er 1989 ins Europäische Parlament gewählt. Schon 1994 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. 1998 war er zunächst stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Im Jahr 2000 wurde er CDU/CSU-Vorsitzender – als Nachfolger von Wolfgang Schäuble. Da war die politische Welt für ihn noch in Ordnung.
Im Jahr 2002 kündigte sich das Ende der Harmonie zwischen ihm und Angela Merkel an. Merkel verzichtete zugunsten von Edmund Stoiber auf die Kanzlerkandidatur und dafür sicherte Stoiber ihr seine Unterstützung bei der Wahl zur Fraktionsvorsitzenden zu. Es kam, wie es kommen musste. Stoiber verlor die Bundestagswahl, Merkel wurde Fraktionschefin, Merz war ausgetrickst.
Parteipolitisch agierte er nun aus dem zweiten Glied, finanzpolitisch blieb er aber Spitze. Er triumphierte 2003 zunächst, nachdem die CDU beschloss, sein vereinfachtes „Bierdeckel-Steuerkonzept“ umzusetzen. Nachdem diesem Lippenbekenntnis keine Taten folgten, legte er 2004 aus Frust seine Partei- und Fraktions-Ämter nieder. Zusätzlich belastete das ambivalente Vorgehen Merkels bei der Benennung Horst Köhlers zum Kandidaten des Bundestagspräsidenten das Verhältnis der beiden. Sie holte Köhler aus dem Amt des IWF-Direktors, weil er angeblich keine Chance auf Wiederwahl hatte. Köhler widersprach später dieser Version.
Als bekennender konservativer Wirtschaftsliberaler und aktiver Katholik konnte er mit dem linksgerichteteren Kurs seiner Partei nicht mehr viel anfangen. Die parteiinternen Differenzen führten schließlich dazu, dass der Hochsauerländer 2007 nicht mehr für die Bundestagswahl kandidierte und sich 2009 aus der Politik zurückzog. Das vermeintliche Ende aller Politträume.
Kursbestimmung für die Zukunft – mit Volldampf in die Wirtschaft
Im Jahr 2010 wurde Merz mit dem Verkauf der WestLB an einen Privatinvestor beauftragt. Damals geriet er aufgrund seiner hohen Honorarsätze von 5.000 Euro am Tag, der Zusatzkosten für Berater und vermeintlicher Interessenskonflikte in die Kritik. Bereits im Jahr 2005 wurde er Partner der amerikanischen Anwaltskanzlei Mayer Brown LLP. Im Jahr 2006 reichte Merz eine Klage ein, seine Nebeneinkünfte offenzulegen. 2016 wurde er Aufsichtsratschef der deutschen Tochter von Blackrock, einem Finanzkonzern mit zahlreichen Firmenbeteiligungen.
Zusätzlich zu seinen Tätigkeiten bekleidete er zahlreiche Aufsichtsrats-, Beirats- und Verwaltungsratsposten. So zum Beispiel bei der AXA Konzern AG, der DBV-Winterthur Holding AG, der Deutsche Börse AG, der IVG Immobilien AG, der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH, der Commerzbank AG, der WEPA Industrieholding SE, der HSBC Trinkaus & Burkhardt, der Stadler Rail AG und des Köln/Bonner Flughafens.
Der Jurist war in der Privatwirtschaft ebenso erfolgreich wie in der Politik. Das Erfolgsprinzip ist in beiden Bereichen dasselbe: Netzwerken und viele Funktionen innehaben.
Friedrich Merz. Zurück ins politische Leben – Mut zur Zukunft
Schon im Jahr 2014 übernahm Merz wieder ein politisches Amt als Mitglied der CDU-Parteikommission „Zusammenhalt stärken – Zukunft der Bürgergesellschaft gestalten“. Nach dem Motto „Niemals geht man so ganz“, interessierte er sich nach wie vor für die Europapolitik und litt mit seiner CDU. Auch wenn er sich nach seinem politischen Ausstieg weigerte, zu innenpolitischen Themen Stellung zu nehmen, blieb er seiner Partei doch immer verbunden. Seit 2018 ist er Brexit-Beauftragter der NRW-Landesregierung. Der Netzwerker und erfahrene Transatlantiker soll zudem die Beziehungen zur Trump-Regierung stärken.
Friedrich Merz war bereits im Jahr 2000 seiner Zeit voraus. Damals prägte er als profilierter Politiker den Begriff der „Deutschen Leitkultur“, was ihm von allen Seiten Schelte einbrachte. Zu einer Zeit als es noch keine Flüchtlingskrise, kaum Terror-Anschläge und eine starke CDU gab, kein opportunes Thema. Die Forderung, dass sich Muslime in deutsche Sitten, Gebräuche und Gewohnheiten integrieren sollten, sahen Liberale und Linke als nicht angemessen an.
Mit seinem 2002 veröffentlichten Buch „Mut zur Zukunft“ wollte er aufzeigen, dass Deutschland nur mit einer Einheit von Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zu alter Stärke zurückfinden wird. Sein Buch „Vom Ende der Wohlstandsillusion. Kursbestimmung für unsere Zukunft“ setzte im Jahr 2004 noch eins drauf. Bereits zum damaligen Zeitpunkt schilderte er die Sorgen und Zukunftsängste der Gesellschaft, die Entfremdung der politischen Elite von der Gesellschaft, den wirtschaftlichen Zustand („Das Ende der Illusionen“) und den politischen Sollzustand („Vollbeschäftigung und ein wohlhabendes Land“). Sein Lösungsansatz:
- eine konsequent werteorientierte Politik für mehr Glaubwürdigkeit
- ein einfaches, gerechtes und leistungsorientiertes Steuersystem
- Einwanderung und Integration sowie Eigenverantwortung im modernen Sozialstaat
- Reformen innerhalb der politischen Institutionen
- Neudefinition der Rolle des Parlaments, des Bundes, der Länder und der Kommunen
Nun ist er also wieder da und möchte politische Verantwortung übernehmen. Dabei muss er den Spagat schaffen zwischen politischer Glaubwürdigkeit, Integrität und Loyalität. Das wiederum bedingt Transparenz bei seinen lukrativen Ämtern und Mandaten. Nur so kann er verhindern, dass ihm Interessenskonflikte vorgeworfen werden. Er muss es ernst damit meinen, dass er sich selbst bei den dringend notwendigen Reformen und Neudefinitionen einschließt.
Sollte es ihm tatsächlich gelingen, da weiterzumachen, wo er aufgehört hat, dann ist die Position des Parteivorsitzenden nur ein Zwischenschritt. Die Politik braucht klar strukturierte Köpfe, die bereit sind, notwendige Reformen umzusetzen. Sie braucht glaubwürdige und integre Persönlichkeiten, die überzeugt ihre Meinung vertreten, auch wenn es politisch nicht opportun ist. Wenn Friedrich Merz das gelingt und er nicht nur als brillanter Politiker, sondern auch als verlässlicher, berechenbarer Mensch überzeugt, wird er seinen Weg gehen. Dann ist alles möglich. Sogar das große Ziel aus seiner aktiven politischen Zeit, Kanzler zu werden.
Es wird sich zeigen, ob Friedrich Merz unter den heutigen Rahmenbedingungen die Persönlichkeit ist, die seine Partei, die Deutschland so dringend braucht. Wird es ihm gelingen, wie Phönix aus der Asche zu steigen und etwas verloren Geglaubtes in neuem Glanz erstrahlen zu lassen? Wird er die Gelegenheit bekommen, aus der CDU wieder eine Partei der Mitte zu machen? Die Entscheidung wird der Parteitag im Dezember bringen.